Florian Lutz, Regisseur

Strangers - ein deutsches Singspiel

Konzeption und Text: Florian Lutz und Janka Voigt

Kontakt
Biografie

2014
Tannhäuser
Theater Lübeck
Liebeswahn
Händelfestspiele Halle
Médée
Theater Bielefeld

2013
Nocturno
Theater Bonn, Bundeskunsthalle
Die Dummheit
Theater Regensburg

2012
Norma
Theater Bonn
NaturNotizen
Frankfurt LAB

2011
Così fan tutte
Anhaltisches Theater Dessau
Hoffmanns Erzählungen
HAU1 Berlin

2010
Carmen
Theater Bonn
playZero
Festspielhaus St. Pölten
Lucia di Lammermoor
Staatstheater Braunschweig

2009
Die arabische Nacht
Oper Halle
Des Landes verwiesen
Theater Bonn
Helges Leben
Theater Bielefeld

2008
Lohengrin
Bühnen der Stadt Gera

2007
Strangers
HAU 1 Berlin

2006
Orfeo ed Euridice
Bühnen der Stadt Gera

2005
Gelegenheit macht Diebe
Saalbau Neukölln Berlin
Die gelbe Prinzessin
Neuköllner Oper Berlin

2003
Die kahle Sängerin
Theaterhaus Köln

Premiere am 16. Dezember 2007 im HAU 1 (Hebbel-Theater) Berlin
Regie: Florian Lutz
Dramaturgie: Janka Voigt
Musikalische Leitung: Antonis Anissegos
Bühne und Kostüme: Pia Wessels
Fotos
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Die Deutsche Bühne, Detlef Brandenburg, 05/08
„Auch Florian Lutz und Janka Voigt zielten mit ihrer Collage ‚Strangers’ (Uraufführung im Dezember 2007 im Berliner Hebbel-am-Ufer) Abend nicht primär auf die Dekonstruktion eines Werkes, sondern arrangierten Material verschiedener Opern um einen Aspekt herum. ... Der darstellerisch starke Abend hatte Witz und eine eigene surreale Formsprache, erreichte aber doch nicht die von Lutz und Voigt programmatisch reklamierte politische Dimension (Opernhelden als Migranten).“

Deutschlandfunk Kultur heute, Jörn Florian Fux, 16.12.07
„Es ist eine Wahn-Sing-Hölle im Stile Sartres, wobei jedoch am Schluss, nach einer virtuos choreo-graphierten Meuchelorgie, niemand überlebt. Zuvor verzichtet die Inszenierung auf allzu drastischen Pessimismus und setzt eher auf Marthaler'schen Scherz mit mehr oder minder tieferer Bedeutung. ... Auf der Bühne hat man spürbar Spaß am irrsinnigen Treiben und diese Power überträgt sich auch aufs Publikum. ‚Strangers’ ist ein vorwiegend unterhaltender Abend, der originell konzipiert und klug inszeniert ist. ... Fazit: Amüsant.“

Die Deutsche Bühne, 02/08
„Wundmale der Migrationsepoche ... der Klarinettist, der sich wie die anderen sechs Musikerinnen des sparsamen und pfiffigen Arrangements von Antonis Anissegos ganz und gar ins turbulente, szenische Treiben integriert. Dessen Höhepunkt ist die Schlägerei mit dem ‚Prolltürken’ Osmin Tobias Hagge. Gegenpole bilden der ebenfalls agile und mit bemerkenswerter Stimme begnadete Bariton Gabriel Urrutia als boshafter und vom Aktenstapeln überforderter Bürokrat Rigoletto sowie Nena Brzakovic, die es aus Bizets Oper in die Wirklichkeit der Meuterei gegen inhumane Immigrations-Regelungen verschlägt.
Die Szenen wurden, wie die Kritiker übereinstimmend konstatierten, genau, pointiert, witzig und mit eigener Handschrift in Bewegung versetzt , naheliegende Anleihen bei Marthaler oder Johann Simons weitgehend vermieden.“

Neues Deutschland, Martin Hatzius, 18.12.07
„Opernpuristen fühlen physischen Schmerz, wenn moderne Regisseure die großen Werke von einst ins Heutige ziehen. Die Würde des Werkes ist unantastbar! Für diese Puristen ist das Werk ein Monument, kein Organismus. Aber was ist mit den Figuren, die in diesem Werk agieren? Was ist mit der Würde des Menschen, die sie verkörpern? ...
Regisseur Florian Lutz und Dramaturgin Janka Voigt haben die großen Außenseiter, die »Fremden« aus Opern Verdis, Puccinis, Bizet und Mozarts in die fremdenfeindliche deutsche Gegenwart geholt und ihnen eine turbulente heutige Geschichte auf den Leib geschneidert, ohne sie ihrer klassischen Schicksale zu berauben. Der Komponist Antonis Anissegos hat auf verblüffende Weise Original-Arien und Selbstkomponiertes zu einem musikalisch mitreißenden Ganzen arrangiert – organisch und werktreu zugleich. Wie es den nur sieben Instrumentalisten – ein Streichquartett, zwei Bläser und eine Akkordeonistin – gelingt, die Ausdruckskraft eines kompletten Orchesters zu produzieren, ist faszinierend. Assistiert werden die Musiker, die gleichzeitig als Nebendarsteller auf der Bühne agieren, von einem Handy und einem Kofferradio – großartig! Die Sänger, allen voran Gabriel Urrutia, sind umwerfend.“

taz, Ronald Düker, 18.12.07
„Ein deutsches Singspiel von Verdi, Puccini, Mozart und Bizet’ haben der Regisseur Florian Lutz und seine Dramaturgin Janka Voigt hier auf die Bühne gebracht und dabei aus einer historischen Beobachtung seinen politischen Ansatz bezogen. Denn es war in der europäischen Oper häufig so, dass im Zentrum der vertonten Erzählungen Fremde standen, durch die die Vergemeinschaftung einer westlichen Kultur überhaupt erst möglich schien. ... ‚Strangers’ zeigt diese Figuren als Gestrandete im Wartesaal einer deutschen Ausländerbehörde. Eine elektronische Nummernanzeige, orangefarbene Hartschalensitze, ein Regal voller Aktenordner an der Wand - Pia Wessels Bühnenbild vermittelt eine melancholisch gefärbte Wartesaalatmosphäre, wie man sie von Anna Viebrocks Bauten für Christoph Marthaler kennt. Altbekannte Opernfragmente wehen aus der Musikgeschichte direkt in diesen unwirtlichen Raum. ...

In kakophonischer Überblendung oder harmonischem Zusammenklang gelingt dem Komponisten Antonis Anissegos dabei ein grandioses Medley der musikalischen Originalfragmente. Ein Streichquartett plus Tuba und Klarinette begleitet die professionellen Opernsänger auf der Bühne mit dem kammermusikalisch abgespeckten Orchesterpart. Das funktioniert hervorragend ...

‚Strangers’ ist ein wirklich politisches Opernarrangement und ein Kommentar zu einer brisanten städtischen Kulturdebatte. Auf der Theaterbühne entlarvt es den Wowereitschen Kulturbegriff, nach dem vor allem vom Fortbestehen der großen Opernhäuser abhängt, ob künftig Wirtschaftsleute in die Stadt gelockt werden können. Die sieht man ja im HAU oder der Volksbühne eher nicht. Bevor die Oper darüber endgültig zur restaurativen Kunstform verkommt, könnte sie durch weitere Theaterexperimente ruhig noch weiter aufgemischt werden.“

Der Tagesspiegel, Uwe Friedrich, 19.12.07
„Ein Singspiel zum Thema Migration war angekündigt. Wer diesen hohen Anspruch erst mal vergessen hat, kann einen unterhaltsamen Abend erleben. Auch ohne Kenntnis der zugrunde liegenden Opern hat man Spaß. Die Protagonisten sind dank eines geschickten Type-Castings und der anschaulichen Kostüme von Pia Wessels auf Anhieb zu erkennen.“ ... Die Aufführung ist tatsächlich unterhaltsam, wenn die hinreißende Nena Brzakovic als Carmen ihre Michaela am Akkordeon (virtuos devot: Silke Lange) durch die Gegend scheucht. Ansonsten hält sich der Humor in Grenzen. Regisseur Lutz lässt allzu ernsthaft verhandeln, was in der kafkaesken Welt deutscher Behörden vor sich geht. Die Wartenummernanzeige blinkt auf, doch die Türen bleiben verschlossen. Es marthalert heftig in diesem Anna-Viebrock- Gedächtnis-Bühnenbild (ebenfalls von Pia Wessels). Aber Lutz beweist handwerkliches Können, indem er den gesamten Raum vielseitig nutzt und den Charakteren scharfes, wenn auch nicht immer originelles Profil verleiht.

Und dann passiert doch etwas, wenn der prollige Jungmacho Osmin (Tobias Hagge) richtig hinlangt oder Otello (mit einigen schönen Spitzentönen: Kendrick Jacocks) losbrüllt. Die gesamte Rolle würde man gerne von Gabriel Urrutia (Rigoletto) hören, auch Yuka Yanigara gestaltet die Butterfly- Arien bewegend. Die Arrangements für Streichquartett, Wagnertuba, Klarinette und Akkordeon von Antonis Anissegos funktionieren charmant. Und wenn man denkt, jetzt könnte der Abend enden, liegen nach hundert Minuten alle Beteiligten tot an der Rampe, und das Saallicht geht wieder an.“

Märkische Allgemeine Zeitung, Jana Mai, 19.12.07
„Rigoletto allerdings hat offensichtlich schon einen Aufenthaltsstatus im neuen Land. Aus dem buckligen Narren am Hof des Herzogs von Mantua wurde ein aktenstapelnder Amtshelfer, nebenbei einen Seesack an Stelle der toten Tochter Gilda liebkosend. Er ist es auch, der dem Neuankömmling Osmin die Einbürger-ungsfragen stellt, die laut Programmzettel dem Hessischen Einbürgerungstest entnommen sind. Osmin „antwortet“ mit seiner Opernarie „Solch hergelaufne Laffen...“ Eine gelungene Szene.
Auch die anderen singen die bekannten Arien. Und sie singen sie stimmschön – a cappella oder begleitet von Klarinette, Geige oder dem kleinen Orchester. Besonders fällt dabei Gabriel Urrutia mit kernigem, strömendem Bariton als Rigoletto auf. Trotz allen Bemühens: Auch nach 90 Minuten kümmert sich noch niemand wirklich von Amts wegen um die Strangers. Alleingelassen verbarrikadieren sie wütend die Amtstüren. Aber auch untereinander kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen, und so sterben sie am Schluss alle ‚ihren’ Operntod.“