Florian Lutz, Regisseur

Norma

von Vincenzo Bellini

Kontakt
Biografie

2014
Tannhäuser
Theater Lübeck
Liebeswahn
Händelfestspiele Halle
Médée
Theater Bielefeld

2013
Nocturno
Theater Bonn, Bundeskunsthalle
Die Dummheit
Theater Regensburg

2012
Norma
Theater Bonn
NaturNotizen
Frankfurt LAB

2011
Così fan tutte
Anhaltisches Theater Dessau
Hoffmanns Erzählungen
HAU1 Berlin

2010
Carmen
Theater Bonn
playZero
Festspielhaus St. Pölten
Lucia di Lammermoor
Staatstheater Braunschweig

2009
Die arabische Nacht
Oper Halle
Des Landes verwiesen
Theater Bonn
Helges Leben
Theater Bielefeld

2008
Lohengrin
Bühnen der Stadt Gera

2007
Strangers
HAU 1 Berlin

2006
Orfeo ed Euridice
Bühnen der Stadt Gera

2005
Gelegenheit macht Diebe
Saalbau Neukölln Berlin
Die gelbe Prinzessin
Neuköllner Oper Berlin

2003
Die kahle Sängerin
Theaterhaus Köln

Premiere am 28. Oktober 2012 am Theater Bonn
Musikalische Leitung: Robin Engelen
Bühne: Martin Kukulies
Kostüme: Mechthild Feuerstein
Fotos
zurück
Deutschlandradio, Kultur heute, Christoph Schmitz, 29.10.2012
„Der junge Regisseur Florian Lutz inszeniert "Norma" als gallische Ulknummer mit Asterix und Obelix. Dabei erzählt er an der Bonner Oper mehr als eine Geschichte: Er karikiert den Klassik-Kommerz und zeigt die existenzielle Liebesgeschichte zwischen Norma und Pollione.Warum geht man in Vincenzo Bellinis "Norma"? Warum schaut man sich diese antikisierende Historienklamotte in Gallien um die Druidenpriesterin Norma an, die den römischen Prokonsul Pollione liebt, die ihr Keuschheitsgelübte längst gebrochen und zwei Kinder mit diesem römischen Besatzungssoldaten hat, der aber nach Rom stiften gehen will, mit der jungen Adalgisa, der Novizin des heiligen Hains? Warum tut man sich das an? Natürlich wegen der Musik, eigentlich wegen einer einzigen Arie, wegen "Casta Diva", und immer noch mit Maria Callas' Stimme im Ohr: "Casta Diva" ...

Die Bonner Inszenierung gibt dem Affen sofort Zucker und liefert allen Schmachtgelüsten Spontanbefriedigung. Noch bevor sich der Vorhang hebt, winkt der gespielte Theaterdirektor Chor und Titelsopranistin an die Rampe, und das Klassik-Spektakel startet, mit "Casta Diva". Zuvor hat der geschäftstüchtige Impresario noch flott das Beethovenorchester plus Dirigenten Robin Engelen über den grünen Klee gelobt, den Ungeist gegenwärtiger Kulturlosigkeit und die Bonner Opernsparpolitik verdammt und die Bühne als Ort heiliger nationaler Werte gepriesen.   ... Die Bühne dreht sich und auch das Geschehen. Wir blicken hinter die Kulissen in die Tristesse einer Operngarderobe. ...
So erzählt der junge Regisseur Florian Lutz in einer Oper zwei und mehr Geschichten: die Bühnenseite und die Backstage-Seite, den karikierten Klassik-Kommerz vorn, hinten die existenzielle Liebesgeschichte, die prekäre Sängerinnenexistenz und die soziale Misere des Künstlers. ...

Und dann gelingt Florian Lutz am Ende das Kunststück, die verschiedenen Erzählebenen miteinander zu verbinden. Der Intendant verliert die Kontrolle über seinen Laden. Wahnsinn, Hass und Tod stoßen in die Gegenwart vor und überrollen Galavergnügen und Publikum gleichermaßen. So wird eine Kultoper des Schöngesangs lebendig und wahrhaftig. So zeigt das Musiktheater sein reiches Geschichtenpotenzial, wie es unter den zeitgenössischen Regisseuren nur solche vom Range eines Stefan Herheim zu aktivieren vermögen. Und Florian Lutz mit seiner Bonner "Norma". Dabei ist die Kunstfigur des Theaterdirektors nicht der bittere Preis, den man für das gewagte Projekt in Kauf nehmen müsste, sondern ein Gewinn. Nach einigen Arbeiten an kleinen und mittelgroßen Häusern sollten auch die großen versuchen, diesen Regisseur zu engagieren. Da passiert was!

Bonner Generalanzeiger, Bernhard Hartmann, 30.10.2012
„... Florian Lutz, der nach "Carmen" das zweite Mal in Bonn inszeniert, lässt im naturalistischen Wald (Bühne: Martin Kukulies) die komplette gallische Dorfgesellschaft aufmarschieren: Asterix und Obelix samt Hinkelstein, Hündchen Idefix und erlegtem Wildschwein, Majestix und Troubadix, der mit einer Schreibfeder eine aus römischen Kriegern bestehende Banda dirigiert. Und natürlich Miraculix, der Druide und Herr über den Zaubertrank.

Die zufällige zeitliche Übereinstimmung des Asterix-Stoffes mit der Geschichte um die Druidenpriesterin rechtfertigt freilich nicht, dass man Norma gleichsam als Asterix-Fortsetzung inszeniert. Dieser Aspekt ist denn auch nur ein Teil einer Inszenierung, die über Strecken tumulthafte Zwischenrufe und Pfiffe provozierte und nach der sich die leidenschaftlichen Gegner mit Buhs ebenso Luft verschafften wie die Befürworter mit lauten Bravo-Rufen.

Lutz interessiert an diesem Opernstoff weniger die politische Konstellation, die ihre Handlung beschreibt als die tragisch-menschliche, die er auf einer ganz anderen Ebene sucht. Es geht ihm um die Sängerin als Star. Denn Norma bedeutet immer auch die Inszenierung einer Diva. Es ist ja kein Zufall, dass ausgerechnet die Primadonna assoluta des 20. Jahrhunderts, Maria Callas, für die Rehabilitierung dieser Belcanto-Oper steht. Noch heute sind echte Opernfans vor einer Aufführung so aufgeregt wie vorm Abitur.

Vor der Ouvertüre zitiert ein von dem Schauspieler Roland Silbernagl gespielter Intendant den Opernchor und Norma-Darstellerin Miriam Clark auf die Bühne und lässt sie vorab in Gala-Robe (Kostüme: Mechthild Feuerstein) schon mal den größten Hit der Oper singen: "Casta Diva". Man ist dank ihrer wunderbaren Stimme den Tränen der Rührung nahe. Mit dieser Produktion und mit dieser Sängerin, brüstet sich der Intendant, werde er die Oper aus dem Klammergriff der Sparpolitik befreien.

Man begreift jedoch schnell, dass hier ganz andere Motive als die selbstlose Rettung der Kultur im Spiel sind: Der Intendant will mit seinem neuen Star Geld machen, Sponsoren bei Laune halten. Dass er immer wieder in die Handlung eingreift, Nummern umstellt, Besetzungen auswechselt, war großen Teilen des Publikums freilich zu viel. ..."

Der neue Merker, Peter Bilsing, 29.10.2012
„NORMA. Beinahe Saalschlacht um Norma bei den Asterixen. Premiere“

Die Bonner Oper lebt noch – und wie!: Beinahe-Saalschlacht um NORMA bei den Asterixen  –  “Holla! Da will uns wieder einer unsere schöne alte Oper NORMA kaputtmachen!“

Angesichts eines in den Fluten des Ignorismus und der Blödheit lokaler Politik gerade ertrinkenden Opernhauses muss auch auf der Bühne Flagge gezeigt werden. Dies tat der für spektakuläre Inszenierungen mittlerweile bekannte Jung-Regisseur Florian Lutz; zuletzt sprengte noch in seiner Bonner CARMEN die Titelgebende Revoluzzerin gleich die ganze Zigarettenfabrik in ihrem Kampf gegen den Kapitalismus in die Luft. Folklore mit Dynamit – das war eine heiße Chose. Einige Opernfolkloristen im Publikum erlitten einen Herzanfall… 

Regisseur Florian Lutz gelang es zumindest Folgendes unter einen Hut zu bringen: Eine ganze Asterixtruppe, einen opernbegeisterten scheinbar dauernd die Aufführung störenden Theaterdirektor und Impresario, Flavio Briatore und die klassische Oper NORMA.

Der Saal kochte: Humor bei NORMA – das hatte es noch nie gegeben; welch ein Frevel! Die verbale Saalschlacht kam nicht unerwartet… Lynchgelüste signalisierten manche Zwischenrufe aus vermeintlich sich Luft schaffen wollenden edlen Opernretter-Kehlen. “Wir wollen Bellini!” – “Das ist Theater von 1972!” -”Scheiße!” -”Sofort aufhören!” Provozierte Gegenstimmen, wie “Ruhe auf den billigen Plätzen!” – Das ist Theater!” schufen ein demokratisches Gleichgewicht der spontanen Meinungsäußerungen schon während des Stücks. ...

Auch wenn es anfangs den Eindruck einer Verhohnepipelung erweckt ... wird hier Bellinis große Oper keinesfalls werkzerstörend veralbert; doch wer Historienschinken, antiquarische Kostümieren und Rampengesang erwartet, sollte unbedingt, um seiner Gesundheit Willen, Zuhause bleiben und sich lieber “Casta Diva” von der Callas einverleiben.

Ich appelliere vor allem an alle fröhlichen jungen Opernfreunde und Opernbegeisterten: Auf nach Bonn! Wie sagte schon der alte Richard Wagner sehr klug “Schafft Neues, Kinder!” Das ist diesmal in Bonn wahrlich und sehr sehr unterhaltsam gelungen. Übermorgen bin ich wieder dabei!

Opernnetz, Michael S. Zerban, 30.10.2012
„... Lutz bewegt große Menschenmengen recht gekonnt über die Bühne. Allein Chor und Extrachor wollen auf selbst gewähltem, engem Raum platziert sein. Und das gelingt erstaunlich gut. Wobei die Chöre in der Einstudierung von Sibylle Wagner auch musikalisch eine erstklassige Leistung abliefern. In der Raumaufteilung liegt eine der Stärken des jungen Regisseurs. So bringt er eine Bläsergruppe des Beethoven-Orchesters noch mit auf die Bühne, die Fanfaren auf den Balkon und verstärkt so geschickt den Raumklang.

Jung-Regisseur Lutz gehört – noch – nicht zu den Meistern seines Fachs. Viele Elemente scheinen zu kompliziert gedacht oder nicht zu Ende geführt. Aber er ist bereit, Dinge mit der nötigen Respektlosigkeit anders zu denken und Stoffe auch einmal in neuen Zusammenhängen zu verbinden. Da sind die Altvorderen schnell dabei zu erklären, warum das alles nicht funktioniert. Am Ende des Abends klingen die Buh-Rufe für das Regie-Team trotzdem nur noch halbherzig unter dem brandenden Applaus hervor. Frenetisch und teils stehend feiern die Gäste die Leistungen von Solisten, Chor und Orchester mit lang anhaltenden Ovationen. Ist ja auch schon mal ein Anfang – das Regie-Team steht ebenfalls mit auf der Bühne.

Die Deutsche Bühne, Detlef Brandenburg, 29.10.2012
„... Lutz also braucht seinen Impresario (und einige kräftige Striche), damit er die „Norma“-Handlung in ein privates Liebesdrama umfunktionieren und in unsere unmittelbare Gegenwart projizieren kann. Die politischen und kriegerischen Szenen, also vor allem die großen Ensembles, kann er so umstandslos seinem Impresario in die Schuhe schieben, damit der sie als Asterix-und-Obelix-Parodie verjuxt. Die Privatszenen dagegen spielt Lutz in ausgefeiltem Psycho-Realismus in der Graderobe hinter der Bühne, wo sich das Eifersuchtsdrama zuspitzt. Damit freilich nimmt er nicht nur etliche musikalische Blessuren, sondern auch logische Brüche in Kauf. Dass der Sänger des Pollione hinter der Bühne zwar ebenfalls den Liebhaber beider Diven spielt, dabei aber eben nicht als Sänger, sondern als „Flavio Briatore“ firmieren muss, als jener Playboy und Formel-1-Tycoon also, der durch seine Affäre mit Heidi Klum zum Helden der bunten Blätter avancierte, ist nur einer der krassesten (und ziemlich an den Haaren herbeigezogen). Zudem nimmt die Privatisierung des Liebesdramas den Figuren einiges an Fallhöhe, die Lutz dann allerdings der Hauptfigur auf spektakuläre Weise zurückerstattet. Was bei Bellini in einer großen Versöhnungsgeste der Norma endet, das biegt Lutz um in eine Rache-Intrige. Und als die Priestern dabei wirklich zur Medea wird und dem entsetzten Pollione/Briatore ihre blutig gemordeten Kinder präsentiert – da hat die Hauptfigur, im irren Lachen über die gelungene Rache sich verausgabend, eine Größe, die dem Original doch wieder nahekommt. ...