Florian Lutz, Regisseur

Lucia di Lammermoor

von Gaetano Donizetti

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Biografie

2014
Tannhäuser
Theater Lübeck
Liebeswahn
Händelfestspiele Halle
Médée
Theater Bielefeld

2013
Nocturno
Theater Bonn, Bundeskunsthalle
Die Dummheit
Theater Regensburg

2012
Norma
Theater Bonn
NaturNotizen
Frankfurt LAB

2011
Così fan tutte
Anhaltisches Theater Dessau
Hoffmanns Erzählungen
HAU1 Berlin

2010
Carmen
Theater Bonn
playZero
Festspielhaus St. Pölten
Lucia di Lammermoor
Staatstheater Braunschweig

2009
Die arabische Nacht
Oper Halle
Des Landes verwiesen
Theater Bonn
Helges Leben
Theater Bielefeld

2008
Lohengrin
Bühnen der Stadt Gera

2007
Strangers
HAU 1 Berlin

2006
Orfeo ed Euridice
Bühnen der Stadt Gera

2005
Gelegenheit macht Diebe
Saalbau Neukölln Berlin
Die gelbe Prinzessin
Neuköllner Oper Berlin

2003
Die kahle Sängerin
Theaterhaus Köln

Premiere am 27. März 2010 am Staatstheater Braunschweig
Musikalische Leitung: Sebastian Beckedorf
Bühne: Martin Kukulies
Kostüme: Andrea Kannapee
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Braunschweiger Zeitung, Andreas Berger, 29.03.2010
„...Florian Lutz erzählt Donizettis "Lucia di Lammermoor" am Staatstheater Braunschweig als Psychodram
Dieser schottische Nieselregen muss den Menschen ja aufs Gemüt schlagen. Bühnenbildner Martin Kukulies lässt in der Neuinszenierung von Donizettis Opernthriller "Lucia di Lammermoor" dauerhaft feinen Regen auf die schlammbedeckte Drehbühne nieseln, so dass sich der Geruch von nasser Erde und Moder bis in den Zuschauerraum ausbreitet.
Das schafft sinnlich-suggestiv die düstre Grundstimmung für ein Wahnsinnsstück, das Regisseur Florian Lutz überzeugend psychologisiert hat.
Auf der durch Drahtzäune geteilten Bühne steht auf der einen Seite der geschniegelte Enrico, der eben mit Plastiktellern und Partygrill Richtfest feiert für den Ausbau seines zurzeit tatsächlich recht bescheidenen Gartenbungalows.
Auf der anderen Seite wohnt sein Todfeind Edgardo, ein heruntergekommener Landlord, von dem man zunächst nur den Hund bellen hört, bis ihn Enricos Mannen erschießen. Auch ihren Müll schmeißen sie über den Zaun. Da bricht Lutz die große Fehde durchaus runter bis zu kleinlichem Nachbarschaftsstreit, doch in dem größeren Naturbild und vor allem der klaren Psychologie im Fall Lucias fängt er das wieder auf zugunsten einer packenden, archetypisch wahren Aussage.

Nachbarsstreit unter Nieselregen

Denn konsequent geht die Schwester Enricos, die ausgerechnet in Edgardo verliebt ist, ihren Weg der Gesundung, obwohl sie Donizetti ja eigentlich verrückt werden lässt. Doch da dessen melodienselige Musik sowieso immerzu in Kontrast zur schauerlichen Handlung des Scottschen Romanschockers steht, lässt sich auch die berühmte Wahnsinnsarie Lucias ganz problemlos als musikalische Hinarbeitung auf die endgültige Befreiung deuten.
Während sie also heraustritt aus dem Bühnenrahmen, fahren auf der Drehbühne die Stationen ihrer Gängelung, die wir mit ihr erlebt haben an diesem Abend, noch einmal an ihr vorüber, so wie sie in der Arie in immer wieder abbrechenden Phrasen aufscheinen. Zunächst der Bruder, der sie als Pfand für eine einträgliche Verheiratung einsperrt. Da hat sie sich schon das erste Mal mit aufgeschlitzten Adern gewehrt.
Dann auch der Geliebte, der zum Stelldichein mit dem erschossenen Hund erschien, kein großer Liebender, wohl doch eher ein gekränkter Provinzfürst. Zuletzt sehen wir Arturo, dem sie unter Druck angetraut wurde, in seinem Blut auf dem Hochzeitsbett zucken: Da hatte sie die Gewalt endlich nicht mehr gegen sich, sondern gegen den Angreifer gewendet.
Und nun ist sie frei, tirilliert in Koloraturen mit der Flöte als Nachtigall um die Wette, steigert sich auf Flügeln des Gesanges in eine bessere Welt, während zum ersten Mal die Sonne aufgeht in dieser Oper. Und dann läuft sie einfach davon. Ihr Leben könnte jetzt beginnen.
Das der anderen ist zu Ende. Ein großes Grabschaufeln durchzieht das Stück, Enrico erschießt sich, Edgardo wird heimgesucht von den Doubles seiner Geliebten und ersticht sich. Auch das hat Lutz ganz grandios durchgeführt, da mag man einige Rumsteherei in den Finalszenen oder die alberne Puppe als Normannos Double nachsehen.

Mehr Verdi-Dramatik als Belcanto

Musikalisch stützt Sebastian Beckedorf am Pult die dramatische Deutung, geht auch mit den Sängern das Werk eher von Verdi als vom Belcanto her an. Manches klingt da etwas durchgehend laut, bedürfte kontrastreicherer Differenzierung. Stimmig gelingen ihm die düster-romantischen Farben der Vor- und Zwischenspiele, dann wieder muss er sich durch Donizettis oft konventionelle Füllungen hangeln, die das Orchester zu den immer wieder ähnlichen Schleifen zwingt. Das Werk lebt eben ganz für die Stimmen.
Da steht mit Liana Aleksanyan als Lucia eine wunderbare Gestalterin zur Verfügung, die etwa den Koloraturen der ersten Arie durch füllige Bindung etwas Schmerzliches gibt. Dagegen verleiht sie den zart bis leuchtend variierten Nachtigallentönen der Wahnsinnsarie einen freudigen, befreienden Ausdruck, schillernd schön und rührend.
Als Edgardo legt Arthur Shen wuchtige Spitzentöne hin, sein Tenor klingt allerdings stets druckvoll und lässt an weicher Sanglichkeit vermissen. Malte Roesner als Enrico gelingt mit auch mal lyrisch strömendem Bariton ein farbenreicheres Porträt. Wiederum gleichbleibend mächtig lässt Dae-Bum Lee seinen Bass tönen, routiniert ergänzt der Chor.
Zwischenhin schon gab es viel Jubel für die Sänger, am Ende auch für Dirigat und Regie. Lutz hat die Längen findig überbrückt und die Exaltationen eindrucksvoll beglaubigt. Wie wär’s jetzt mit "Tristan"?...